Mittwoch, den 17.4.2024 KO2-F-150 Einladung (PDF)
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Prof. Dr. Béatrice Lienemann (Fribourg)
Platons Empirismus: Zur Bedeutung der Sinneswahrnehmung, Erinnerung und Wiedererinnerung für den Erwerb von Wissen Die platonische Philosophie ist berühmt für ihre strikte Trennung zwischen einer intelligiblen Welt der ewigen, unveränderlichen Ideen und einer Welt der vergänglichen und veränderlichen Sinnendinge. Die „Zwei-Welten“-Theorie geht oft einher mit einer Abwertung der Sinnenwelt, einer Geringschätzung der Sinneswahrnehmung und sogar einer regelrechten Körperfeindlichkeit. Wissen kann sich nur auf den Bereich der intelligiblen Ideen beziehen; die wahrnehmbare Welt lässt nur Meinung (δόξα) zu.
Der Vortrag spürt diesem dichotomischen Bild entgegen den empiristischen Ansätzen in der Philosophie Platons nach. Der nähere Blick in verschiedene Dialoge zeigt, dass Platon durchaus auch der Sinneswahrnehmung eine wichtige und konstruktive Rolle für den Erkenntnisgewinn beigemessen hat. Auch die Erinnerung, eine Art von gespeicherten Sinneserfahrungen, spielt eine wichtige erkenntnistheoretische Rolle, und sie besitzt praktische Relevanz, etwa wenn es um Erwartungen und Hoffnungen geht, die sich auf die Zukunft richten. Die Sinneswahrnehmung scheint sogar einen wichtigen Beitrag für die Erkenntnis der Ideen zu spielen, weil die Irritation durch widersprüchliche Wahrnehmungen Anlass dafür ist, im Denken nach Antworten zu suchen und sich den Ideen zuzuwenden.
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