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Seminar für Griechische und Lateinische Philologie

SNF-Förderungsprofessur: Die Pragmatik des Dialogs in der antiken Tragödie

Zusammenfassung

Das Drama aristotelischer Prägung ist diejenige poetische Gattung, die sich ausschliesslich aus Äusserungen von handelnden Charakteren zusammensetzt. Da erzählerische Arten der Informationsvermittlung somit weitgehend entfallen, ist es umso wichtiger, das Potential voll zu nutzen, das die direkte Rede der Charaktere – eine literarisierte Imitation real gesprochener Sprache –, insbesondere im Dialog, bietet: Neben den Inhalt tritt dabei die Form der Konversation, d.h. ihre pragmatische Komponente, als Trägerin von Information, die durch Gesprächsanalyse erschlossen werden kann: Die Art, wie Gesprächspartner agieren und interagieren, ist wesentlich für die Charakterisierung von Personen und Situationen.

Dieser Aspekt der antiken Tragödie wurde bisher unzureichend beachtet. Unser Projekt soll neue Horizonte bei der Interpretation des intensiv erforschten Textkorpus der klassischen Tragödie eröffnen. Die längsschnittartige Untersuchung einzelner Phänomenen von Kommunikation in einem grösseren Corpus von Tragödien soll die Bandbreite der Techniken in der Tragödie erforschen und ihre Entwicklung nachzeichnen. Vertiefte Einzeluntersuchungen sollen die Interpretation der Dramentexte auf eine neue Ebene stellen.

 

 

Teilprojekte

Gunther Martin: Kohärenz und Kohäsion in der griechischen Tragödie

Die Art, wie Menschen – auch Charaktere im Drama – auf einander reagieren, kann viel über sie und ihr Verhältnis aussagen. In diesem Teilprojekt soll insbesondere der Verknüpfung der einzelnen Dialogbeiträge im Sinne von Kohäsion und Kohärenz nachgegangen werden: Nehmen die Gesprächspartner direkt, indirekt oder gar nicht aufeinander Bezug? Nehmen sie inhaltlich Stellung oder sprechen sie über die Äusserungen des anderen? Es soll betrachtet werden, inwiefern sich in diesem Bereich Schwankungen, z.B. zwischen den einzelnen Autoren, aber auch zwischen Charakteren, Szenentypen etc. ergeben, die neues Licht auf die Kompositions- und Gesprächstechniken der Tragödie werfen. Anhand der Analyse einzelner Szenen soll dargestellt werden, welchen Beitrag die Betrachtung von Kohärenzphänomenen zum Verständnis der Dialoge und darüber hinaus der Stücke leistet.

 

Federica Iurescia: Effare aperte: Pragmatik der Dialoge in der römischen Tragödie

Das Teilprojekt hat zum Ziel, die Dialoge in den Senecas Tragödien pragmatisch, bzw. im Rahmen der Kommunikationsanalyse und Common Ground, zu untersuchen. Der Fokus der Analyse liegt auf dem Phänomen der Kohärenz. Es soll betrachtet werden, wie das Konzept in linguistischen Studien behandelt wurde, und wie eine theoretische Bestimmung im Sinne der pragmatischen Kohärenz in den kommunikativen Kontext der tragischen Dialoge gestellt werden kann.

Ausgehend von diesem Rahmen der Untersuchung soll insbesondere die Relevanz von Kohärenzbrüchen und Missverständnissen, die den Fluss einer (erfolgreichen) Kommunikation stören, beleuchtet werden. Derartige Störungen der Kommunikation zwischen den Sprechern können vielfältige Informationen über die Pragmatik des Dialogs liefern. Kann man beispielsweise bestimmte Fälle im Dialogverlauf erkennen – zum Beispiel in Verbindung mit Themenwechseln, wo sie häufig identifiziert worden sind? Zu welchen Zielen benutzt sie der Autor: zur Charakterisierung des Sprechers, für bestimmte Kommunikationsstrategien – zum Beispiel Abweichung von einer Argumentationskette, die für denjenigen, der die Kohärenz bricht, unangenehm oder problematisch ist? Die Beobachtungen, die sich im Verlauf des Projekts ergeben, sollen sowohl für die historische Pragmatik als auch für die Interpretation des Dramas von Interesse sein.

 

Severin Hof: Metakommunikation bei Sophokles

Gegenstand dieses Teilprojekts ist die Metasprache im Werk des Sophokles. Dabei sollen die Aussagen der Figuren über ihr eigenes Sprechen oder dasjenige des Gesprächspartners auf die interne und die externe Pragmatik untersucht werden. Ziel ist es festzustellen, welche – ‚gewollten‘ und auch ‚ungewollten‘ – Effekte entsprechende Aussagen in den Gesprächen haben und welche Implikationen sich daraus für die Interpretation der Stücke ergeben. In diesem Zusammenhang erscheint insbesondere der Ansatz der Frame Analysis vielversprechend. Je nach Gang der Untersuchung kann und soll diese auch auf Aischylos und/oder Euripides ausgeweitet werden.

 

Veranstaltungen und Vorträge

Veranstaltungen

Workshop: „Pragmatik und literarische Analyse“, Zürich 17.-18. Juni 2016 (Flyer (PDF, 73 KB)).

Tagung: „Doing things with words on stage. Pragmatics and its use in ancient drama“, 4.–7. Juli 2018.

Gastvortrag: „Problems in the Interpretation of Oedipus the King“ von Prof. Dr. Scott Scullion, Zürich, 21. März 2019 (Flyer (PDF, 143 KB)).

Workshop: „Euripides and Greek Religion: Maenads and Men in Bacchae and Cult“ mit Prof. Dr. Scott Scullion, Zürich 22. März 2019 (Flyer (PDF, 140 KB)).

Workshop: „Multiperspectivity and Intersubjectivity in Tragic Dialogue“ mit Dr. Jon Hesk (St. Andrews), Zürich, 23. Mai 2019 (Flyer)

Gastvortrag: „Perspective-taking, Mind-reading, Decision-making. Dialogue and its Rhetorics in Sophocles’ Oedipus at Colonus“ von Dr. Jon Hesk (St. Andrews), Zürich, 23. Mai 2019 (Flyer)

Workshop Beginnings and Reconciliation (PDF, 104 KB), in Zusammenarbeit mit dem Classics Department der Universiteit van Amsterdam, Amsterdam 15. November 2019. Bild1 (JPG, 148 KB)

 

Vorträge

„Impoliteness in Roman quarrels“ (F. Iurescia), Workshop: Pragmatik und literarische Analyse, Zürich 18. Juni 2016.

„Coherence and cohesion als heuristic tools“ (G. Martin), Workshop: Pragmatik und literarische Analyse, Zürich 18. Juni 2016.

„Stockende Gespräche in Theben“ (G. Martin), Antrittsvorlesung, Zürich 14. November 2016.

„(Nicht immer) Eine Frage der Höflichkeit: Verbale Interaktion in der griechischen Tragödie“ (G. Martin), Gastvortrag Marburg 16. Januar 2017.

„Impoliteness and Overpoliteness in Roman Confrontations“ (F. Iurescia), 19th International Colloquium of Latin Linguistics, München 26. April 2017. https://www.icll2017.badw.de/home.html

„Impoliteness in non-literary genres: the Colloquium Harleianum“ (F. Iurescia), Approaches to ancient Greek and Latin im/politeness, Madrid 26-27. Juni 2017.https://www.icca.eu/publicaciones/approaches-to-ancient-greek-and-latin/

„Freud und Leid im sophokleischen Aias" (S. Hof), Metageitnia 2018, Strassburg, 12.-13. Januar 2018.

„Ende ohne Abschluss. Das Ende von Konfliktdialogen in der antiken Tragödie" (F. Iurescia, G. Martin), Metageitnia 2018, Strasbourg 12-13 Januar 2018.

„Language Ideology in Ancient Greek drama" (S. Hof), Language Use across Time, Padua 16-17 Februar 2018. http://www.historicalpragmatics2018.it/

„Closing conflicts: Discourse strategies across Greek and Roman Tragedies" (F. Iurescia, G. Martin), Language Use across Time, Padua 16-17 Februar 2018. http://www.historicalpragmatics2018.it/

„Dialogische Syntax im Aias-Prolog" (S. Hof), Doing Things with Words on Stage, Zürich, 4.-7. Juli 2018.

„Schwierige Dialoge in der römischen Tragödie: Wie man sich nicht versteht" (F. Iurescia), Workshop: neue Wege zur römischen Tragödie, Zürich 16. Oktober 2018.https://www.sglp.uzh.ch/de/veranstaltungen/conventus/tuba16.html

„La transformation de la question directrice dans l'Ajax de Sophocle" (S. Hof), Metageitnia 2019, Lausanne, 18.-19. Januar 2019.

„Rhetoric, Dike and Sophrosyne in the Agon of Sophocles' Ajax", (S. Hof), Mythos und Rhetorik: Neue Wege in der attischen Tragödie, Würzburg, 1.-2. März 2019.

„Multi-layered identity in two Sophoclean prologues", (S. Hof), CRASIS Annual Meeting & Master Class: Identity, Past and Present, Groningen, 7.-8. März 2019.

„A multiperspectival reading of the Antigone", (S. Hof), Workshop „Multiperspectivity and intersubjectivity in tragic dialogue" mit Dr. Jon Hesk (University of St. Andrews), Zürich, 23. Mai 2019. 

Deadlock in Roman Tragedies", (F. Iurescia), Workshop „Multiperspectivity and intersubjectivity in tragic dialogue" mit Dr. Jon Hesk (University of St. Andrews), Zürich, 23. Mai 2019.

„Common Ground Management in Roman Tragic Dialogues" (F. Iurescia), 20th International Colloquium of Latin Linguistics, Las Palmas de Gran Canaria 18. Juni 2019.https://sites.google.com/site/20thicll2019/

„Sophoclean Beginnings", (S. Hof), Workshop „Beginnings and Reconciliation“, Amsterdam, 15. Januar 2019.

„The Metapragmatics of Reconciliation in Greek Tragedy", (G. Martin), Workshop „Beginnings and Reconciliation“, Amsterdam, 15. November 2019.

Praestetur fides: Faked reconciliations in Roman Tragic Dialogues", (F. Iurescia), Workshop „Beginnings and Reconciliation“, Amsterdam, 15. November 2019.

 

Weiterführende Informationen

SNF-Förderungsprofessur: Die Pragmatik des Dialogs in der antiken Tragödie

Laufzeit: 2015-2019

Mitarbeiter

Severin Hof, M.A.

Dr. Federica Iurescia

Prof. Dr. Gunther Martin (Leitung)