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Mittelalterliche lateinische Urkunden aus der Westschweiz als wertvolle sprachgeschichtliche Zeugnisse stehen im Mittelpunkt dieses Arbeitsvorhabens. Als Rechtsschriftstücke dienten sie in erster Linie der Kommunikation mit der von den Vorschriften, Entscheidungen und Übereinkünften betroffenen, indes des Lateinischen nicht oder nur beschränkt mächtigen Bevölkerung im Interessengebiet der urkundenden Obrigkeit. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß ihre Latinität stark volkssprachlich beeinflußt ist. Anhand einer gründlichen Analyse der sprachlichen Gestalt soll versucht werden, die Rückwirkungen der romanischen (in diesem Fall: frankoprovenzalischen) Volkssprache modellhaft herauszuarbeiten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den romanisch-lateinischen Rückentlehnungen, jenem noch nicht erschöpfend erforschten Phänomen, dass im Hoch- und Spätmittelalter wohl Tausende volkssprachlicher Wörter unter (erneuter) formaler Anpassung in lateinischen Texten verwendet wurden (Typus vescovilis 'bischöflich' nach it. vescovile nach lat. episcopalis). Zwei Aspekte stehen dabei im Vordergrund:
Als Materialbasis dient der Wortschatz des Chartulars des Domkapitels von Lausanne (ed. C. Roth, 1948), wobei als Vergleichskorpora die Westschweizer Schiedsurkunden (ed. E. Usteri, 1955) und der Liber donationum von Hauterive (ed. E. Tremp, 1984) herangezogen werden. Für die romanistische Lexikologie ist diese Arbeit insofern interessant, als volkssprachliche Einschlüsse in lateinischen Texten, ob formal latinisiert oder nicht, oft wesentlich älter sind als der betreffende Erstbeleg in volkssprachlichem Kontext.
VITALI, David. Mit dem Latein am Ende? Volkssprachlicher Einfluss in lateinischen Chartularen aus der Westschweiz (Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters 41). Bern: Peter Lang, 2005