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Es ist nicht Aufgabe dieses Aufsatzes, über die Erneuerung der gelehrten Studien seit der Zeit um 1300 zu berichten: eine Bewegung, die recht bald auch ein neues Verhältnis zur lateinischen Sprache und zu ihrer Handhabung mit sich brachte. Es sollen zu diesem epochalen Prozeß nur kurze Bemerkungen gemacht werden, die aus unserem speziellen Blickwinkel angebracht erscheinen.
Die Wiedergewinnung eigenen Sprachvermögens nach den Vorbildern der Klassik war zwar im Ergebnis etwas grundlegend Neues. Immerhin hatte es im Mittelalter immer wieder einmal Ansätze zu Rückwendungen dieser Art gegeben. Als Beispiele genannt seien aus dem 9. Jahrhundert Lupus von Ferrières, aus dem zwölften Johannes von Salisbury. Die hierin sichtbar werdenden geistigen Interessen und geschmacklichen Vorlieben waren dann allerdings durch die Herausbildung und Ausbreitung der scholastischen Latinität hintertrieben worden. Wo sich die Humanisten über das mittelalterliche Latein aufregten oder mokierten, betraf dies oft ganz speziell diese besondere Ausprägung. Die fortwährende Normenentfaltung hatte hier zu Erscheinungsformen geführt, in denen das römische Latein der späten Republik und der frühen Kaiserzeit nicht wiederzuerkennen war. Man wurde nun des Kulturbruches ansichtig und begriff Kontinuität als etwas, was, nicht mehr objektiv da war, sondern durch einen Akt radikaler Neuorientierung erst wieder herzustellen war.
Der
Sprung zwischen Dante und Petrarca ist ungemein groß;
nichtsdestoweniger gilt, daß die mittelalterliche Art, mit dem Latein
umzugehen, erst innerhalb mehrerer Generationen von Humanisten ganz
abgelegt wurde. Der Sprachduktus mancher humanistisch gesinnten
Schriftsteller blieb noch auf lange hinaus der hergebrachten
Sprachpraxis verpflichtet, sei es, weil sie die Ausrichtung nach den
angestrebten Vorbildern nicht erreichten, sei es, weil sie dies gar
nicht wirklich versuchten. In weiten Bereichen, so an gewissen
Universitäten, blieb die aus dem Mittelalter hergebrachte Latinität
weiterhin in Geltung. Man anerkannte unterschiedliche sprachliche
Register und verwendete sie unter Umständen nebeneinander. Insgesamt
gilt, daß der strenge Ciceronianismus in der Renaissance nur eine unter
verschiedenen möglichen Sprachhaltungen war. Dies führt uns zu einem
letzten Fragenbereich: